Online Marketing

Reverse Mentoring – Ein Plädoyer für neue Wege im Unternehmer-Marketing

Marc Faber //

Wenn frischer Wind weht, schließen einige die Fenster – andere setzen die Segel.

Reverse Mentoring (umgekehrtes Betreuen) ist aufgrund des digitalen Zeitwandels ein aktuelles Thema und plädiert für einen Rollentausch von Arbeitskräften innerhalb des Unternehmens. Manche Unternehmen haben den Zeitgeist schon für sich erkannt und setzen die Segel, andere bleiben im Windschatten und nehmen erst sehr spät die Verfolgungsjagd auf. Das umgekehrte Betreuen sieht vor, jüngeren Mitarbeitern die Chance zu geben, ihre Vorgesetzten zu lehren, wie man mit der Digitalisierung umgeht und sich positiv für ihr Arbeitsfeld einzusetzen – denn die sogenannten Digital Natives sind mit der neuen Technik aufgewachsen und haben oftmals das Potenzial, mit ihren Kenntnissen diverse Prozesse im Unternehmen voranzubringen. Der Senior profitiert von einer kostenlosen Weiterbildung, die ihn unterstützt, sein Tätigkeitsfeld doppelt voranzubringen, während der Junior, in dem Fall der Mentor, die Chance hat mehr Autorität und Wertschätzung innerhalb des Unternehmens zu erlangen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Warum wird das heutzutage so wenig genutzt bzw. umgesetzt? Viel zu oft begrenzen Zeitmangel und mangelndes Vertrauen die Möglichkeit, den Austausch zwischen Jung und Alt zu ermöglichen. Oftmals verhindern auch die traditionellen Strukturen eine Neuausrichtung im Unternehmen, aus Angst vor Autoritätsverlust oder Einführung einer Fehlerkultur. Die Alteingesessenen möchten sich nicht die Mühe machen, noch einmal voll durchzustarten und die Prozesse auf den Kopf zu stellen. Zu viel Aufwand und Risiko, ganz zu schweigen von den Kosten.

Neue Prozesse? Oder doch lieber auf den Lorbeeren ausruhen?

In vielen großen Unternehmen herrschen heutzutage noch immer die gleichen Prozesse wie vor 20 Jahren. Dies liegt vermutlich daran, dass scheinbar alles reibungslos funktioniert, weshalb über eine Erneuerung von Prozessabläufen und die Einführung von Innovationen schlichtweg nicht nachgedacht wird. Zwar ist das bequem, doch alles andere als zeitgemäß. Denn gerade im Marketing ist es wichtig sich an modernen Trends zu orientieren bzw. neue Trends zu setzen. Diejenigen, die sich eine frühe Marktmacht erarbeiteten, bestimmten schon recht früh, wo es langgeht und entschieden für eine ganze Branche. Oftmals nicht durch Analyse und Machbarkeit, sondern nach Instinkt und mit großem Selbstvertrauen in einem konservativen Oligopol, wo man noch mit seinem größten Feind Geschäfte machte. Die Zeiten ändern sich und es gibt mittlerweile andere Methoden, wie man erfolgreich am Markt agieren und den Platzhirschen Paroli bieten kann. Der disruptive Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt, vor allem durch die Digitalisierung, hat es ermöglicht, dass junge Menschen mit Growth-hacking-Strategien schnell Fuß fassen. Die digitalen Störenfriede bedienen neue Zielgruppen über das Internet, schaffen Modeerscheinungen und erreichen über Social Media mehr Leute als Pro 7 zur Prime Time. Ob FinTechs, Lieferservice-Apps oder Mode-Start-ups – die junge Zunft hat lang vermisste Prozesse erkannt und Bedürfnisse offengelegt, die lange hinter den Toren des Internets verschlossen blieben. Deshalb ist es an der Zeit, die Digital Natives mehr in die bestehenden Prozesse einzubeziehen und sie ihre Sicht der Dinge schildern zu lassen. Reverse mentoring bedeutet: Die Jungen schulen die Alten oder, besser ausgedrückt, das Wissen und die Marktnähe zur Zielgruppe der jungen Kollegen wird genutzt, um die Strategien und Prozesse im Unternehmen zukunftsträchtig anzupassen oder gar neu auszurichten. Das bedeutet auch, den Jüngeren die Verantwortung zu geben, die Älteren zu schulen. So kann zum Beispiel einem Oldschool-Marketier, der sich bis dato um Print-Mailings und Out-of-home Werbung gekümmert hat, von einem jüngeren Mitarbeiter gezeigt werden, wie man über Social Media wesentlich gezielter mehr Leute erreichen kann.

Digitales Aufrüsten – Warum denn?

Die Menschen bewegen sich immer mehr im Internet. Wie soll da das alte Geschäftsmodell in Zukunft noch funktionieren, wenn 94 % der Offliner heutzutage 50 Jahre oder älter sind, aber mittlerweile 4 von 5 Deutschen im Internet unterwegs sind. Und dabei schon 90 % der unter 30-Jährigen mobiles Internet nutzen? Mobile Banking, Video-Streaming bei Netflix oder einkaufen bei windeln.de gehören zur Tagesordnung. Wie sollen diejenigen, die schon mehr Arbeitsjahre hinter als vor sich haben, es schaffen, allein mit ihrem alten Wissen in einem weltweiten (digital agressiven) Markt zu bestehen? Große Unternehmen wie zum Beispiel H&M müssen nun die Reißleine ziehen, um nicht vor den neuen Online-Modeanbietern den Niedergang einleiten zu müssen: H&M macht Filialen dicht. Hätte man hier frühzeitig den neu heranwachsenden Wettbewerb analysiert und die junge Belegschaft miteinbezogen, sähen die Zahlen des Unternehmens garantiert anders aus. Und Reverse Mentoring bedeutet nicht einfach nur eine zeitgemäße technische Infrastruktur zu schaffen, sondern sich die Wege und Vorteile von den Jüngeren erklären zu lassen, um sie sich dann letztendlich selber anzueignen.

Digitale Start-ups – Der Vorsprung der Online-Lehrmeister

Ob Zalando, lieferando, bailando oder wie sie alle heißen. Viele Start-ups haben es vorgemacht und das „junge Wissen“ genutzt, um den Markt zu stören und einen schnellen Einstieg zu bekommen. Sie haben den Nerv der Digitalisierung getroffen und Trends für sich erschlossen – prozessual und medial. Zalando ist 2008 mit einem Mitarbeiterdurchschnittsalter von Mitte 20 ins Rennen gegangen und heute mit einem Umsatz von 4,5 Mrd. Euro der größte Online-Modehändler Deutschlands. Man kann den Jungen also durchaus vertrauen. Start-ups setzen gezielt auf das digitale Geschäft, weil sie wissen, dass große Unternehmen noch zu sperrig und unerfahren sind, um hier erfolgreich agieren zu können. Ein klarer Wettbewerbsvorteil für die Jungen. 79 % der Start-ups gaben an, dass die Digitalisierung einen sehr großen oder großen Einfluss auf ihr Geschäftsmodell habe.

Paid Reverse Mentoring – Von den jungen Wilden lernen

Um im Markt schnell digital Fuß zu fassen, investieren Unternehmen zunehmend in innovative Start-ups. Denn diese sind meist ausschließlich aufgrund ihres digitalen Vorsprungs so erfolgreich. Schaut man sich die unten stehende Grafik an, sieht man, wie stark die Digitalisierung den Umsatz der deutschen Start-ups befeuert.

Im internationalen Vergleich sind wir hier weit voraus und die hiesigen Start-ups feiern einen so großen Erfolg, dass immer mehr Großkonzerne in die Geschäftsmodelle investieren.

Paid-Reverse-Mentoring: Unternehmen kaufen oder finanzieren junge Unternehmen, um nicht nur deren Geschäftsidee voranzubringen, sondern auch, um deren moderne Arbeitsweise und die digitalen Geschäftsfelder kennenzulernen. So stiegen die Investitionen in deutsche Start-ups 2017 um 88 % auf 4,3 Milliarden Euro laut einer Studie von Ernst & Young.

Marktrecherche neu definiert – Ein kurzer Ausflug in die digitale Marketingwelt

Start-ups machen es vor. Der alte Ansatz, sich im Unternehmen selber neue Verkaufsstrategien auszudenken und Kunden ausschließlich über klassische Kanäle zu gewinnen, ist schon lange nicht mehr ausreichend. Da helfen auch keine aufgemotzten Fokusgruppen oder Umfragenauswertungen mehr, die einem damals noch das „Go“ für eine äußerst kreative Kampagne eingeholt haben. Es geht nicht mehr um außergewöhnliche Ergüsse, die man am Abend vorher bei Wein und Bier mit Kreation ersonnen hat,  sondern um Bedürfnisse, die im Netz anhand einer Zielgruppe in Echtzeit greifbar sind. Mit einer ausgeklügelten Inbound-Strategie in Verbindung mit einer Buyer-Persona-Recherche findet man genau raus, wer die wichtigste Zielgruppe ist und welche Bedürfnisse sie hat. Durch Analyse-Tools werden die Ergebnisse validiert und quantifiziert, die in Sachen Schnelligkeit und Aussagekraft die alten Methoden in den Schatten stellen. Beackert werden sie dann mit disruptiven Marketing-Strategien, die neuwertigen Content liefern und das eigene Unternehmen so vom Wettbewerb differenzieren. Mit diversen Tracking-Tools werden dann die Projekte analysiert und optimiert. Warum sage ich das alles? Weil man sich nicht mehr davor verschließen sollte, nur um seiner eigenen Ideen willen. Hört den Jungen im Unternehmen zu: Sie wissen wo sich die Zielgruppe online aufhält und auf was und wen sie hört! Es ist an der Zeit, dass sich Traditionalisten und Babyboomer mehr Zeit für die Digital Natives und Millennials nehmen, um das unternehmerische Handeln dem Zeitgeist anzupassen.

Tipps von CMF für Reverse Mentoring im Unternehmen:

Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Wege, im Unternehmen Reverse Mentoring einzuführen. Einer der Wege ist, innerhalb einer fachspezifischen Abteilung Senior und Junior zusammenzubringen. Das bedeutet der Junior oder mehrere Junioren einer Abteilung arbeiten einen Redaktionsplan mit aktuellen Themen aus, von dem sie denken, dass sie sich gut auf die internen Prozesse  oder Aufträge auswirken könnten. Zum Beispiel kann ein Marketingjunior seinem Vorgesetzen erklären, warum ein Unternehmensblog wichtig ist und wie man dadurch seine Zielgruppe erreicht. Wöchentlich setzt man sich zusammen und der Junior gibt dem Senior nicht nur neue Einblicke und Ideen, sondern vermittelt ihm auch die Funktionsweise. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass fachspezifisches Wissen schnell, direkt und persönlich vermittelt wird. Der Nachteil hierbei ist jedoch, dass die anderen Abteilungen nicht an dem Wissen partizipieren. Daher empfiehlt sich noch, die interdisziplinäre Methode anzuwenden. Hierbei finden sich Auszubildende, Trainees, Praktikanten und junge Mitarbeiter zusammen und stellen einmal im Monat (digitale) Themen zusammen, die sie dann allen Mitarbeitern vorstellen. Zudem sollte man die Themen über einen Newsletter einstellen und das Intranet mit interessanten Themen füllen, um die Mitarbeiter auf dem aktuellen Stand zu halten.

Fazit

Wenn große Unternehmen auf den digitalen Erfolg der Start-Ups aufspringen wollen, empfiehlt es sich, die jüngeren Mitarbeiter stärker zu integrieren und sie sogar als Mentoren einzusetzen. Der Erfolg der Start-ups in Deutschland zeigt den unaufhaltsamen Vorsprung der jüngeren Generation in der digitalen Welt.  Als Unternehmen sollte man daher das Potenzial der eigenen jungen Mitarbeiter ausschöpfen und sie als Inhouse-Berater  einsetzen. Das bedeutet nicht nur darauf fokussiert sein, den Nachwuchs durch eigenes Wissen zu fördern, sondern ihm auch die Chance geben, dem Unternehmen etwas beizubringen. Reverse Mentoring lautet die Devise – integriert die Jungen und lernt von ihnen.

 

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